30.11.2021 | Handelsblatt | Ponticon; 3D-Druck für die Massenfertigung: „Wir sind sehr oft um den Faktor 10 schneller“ | Axel Höpner

Das Start-up hat eine Maschine mitentwickelt, mit der Gegenstände besonders schnell bedruckt werden können. Ziel sind dreistellige Millionenumsätze.

Beim Bau von Prototypen hat sich der 3D-Druck bereits vielfach durchgesetzt – doch für die industrielle Massenproduktion ist die additive Fertigung oft noch zu langsam.

Die Firma Ponticon will nun einer neuen Technologie zum Durchbruch verhelfen, mit der Gegenstände besonders schnell und präzise beschichtet und auch bedruckt werden können – und damit auf längere Sicht dreistellige Millionenumsätze erzielen. „Wir wollen einer der großen globalen Player in der Branche werden“, sagt Miteigentümer Oliver Schorn.

Der 3D-Druck gilt in der Industrie schon seit Langem als großer Hoffnungsträger. Auch weil er ganz neue Formen ermöglicht, wird er unter anderem in der Luftfahrt bereits für die Fertigung von Teilen eingesetzt.

Experten prognostizieren für die Branche zweistellige Wachstumsraten. „Der 3D-Druck wird sich durchsetzen und seinen festen Platz in der Industrie finden“, sagt der Gründer des 3D-Drucker-Herstellers Concept Laser, Frank Herzog.

Laut einer Studie von Learnbonds könnte der 3D-Druck-Markt bis 2024 von gut 16 auf 40,8 Milliarden Dollar wachsen. Deutsche Unternehmen wie Eos, Concept Laser und Trumpf spielen in der Branche eine führende Rolle.

3D-Druck ermöglicht neue Schweißtechnik für anspruchsvolle Bauteile

Ponticon will nun in diese Riege einsteigen. Das erste Modell bringt die Firma unter dem Namen pE3D gerade auf den Markt. Im nächsten Jahr sollen drei bis vier Maschinen je nach Spezifikation zu einem Stückpreis von geschätzten ein bis zwei Millionen Euro verkauft werden. „Der Schwerpunkt liegt hierbei zunächst auf Forschungseinrichtungen, auch um industrielle Endkunden mit dem dort vorhandenen Know-how zu befähigen und schnellstmöglich an die Technologie heranzuführen“, sagt Geschäftsführer Tobias Stittgen.

Ponticon hatte die Maschine für das Fraunhofer Institut für Lasertechnik (ILT) konstruiert. Auf dieser wird das am ILT erfundene Extreme Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißen (EHLA) weiterentwickelt, mit dem sich zunächst einmal Metallteile beschichten lassen.

Im Gegensatz zum klassischen Laserauftragschweißen wird das metallische Pulvermaterial beim EHLA bereits vor dem Auftreffen auf das zu beschichtende Bauteil vom Laser aufgeschmolzen. Dadurch erreicht es das Bauteil, das sich sehr schnell um die eigene Achse dreht, bereits im flüssigen Zustand. „EHLA eignet sich für alles, was rotationssymmetrisch ist und auf einer schnellen Drehkinematik bearbeitet werden kann“, sagt Jonathan Schaible vom Fraunhofer-Institut für Lasertechnik (ILT).

Bereits heute werden mit diesem Verfahren hochbeanspruchte Teile – zum Beispiel in der Luft- und Raumfahrt oder im Automobilbereich – vor Korrosion und Verschleiß geschützt.

Bis vor wenigen Jahren wurde hier vor allem noch das Hartverchromen eingesetzt. Doch wird dieses von der EU seit September 2017 nur noch unter strengen Auflagen zugelassen. Die elektrochemische Abscheidung von giftigem Chrom ist umweltschädlich.

Aufgrund der erforderlichen Rotationssymmetrie konnten bislang mit dem EHLA aber nur bestimmte Bauteile wie zum Beispiel Hydraulikzylinder, Walzen oder etwa Bremsscheiben zweidimensional beschichtet werden.

Daher machte sich das Fraunhofer ILT Anfang 2018 auf die Suche nach einem Partner, um das Verfahren für weitere, komplexere Formen und den 3D-Druck weiterzuentwickeln. Genau diese Anforderungen werden jetzt laut Unternehmen mit dem von Ponticon entwickelten pE3D System erfüllt. Das weiterentwickelte Verfahren wird als 3D-EHLA bezeichnet: Die Bauteile müssen nicht mehr rotationssymmetrisch sein, sondern können dank einer hochdynamischen Fünf-Achs-Kinematik beinahe beliebig geformt sein.

„Beim Beschichten werden Herstellzeiten wie beim Thermischen Spritzen erreicht. Die aufgetragene Legierung hält aber wesentlich besser, weil wir die Materialien stoffschlüssig miteinander verbinden“, erklärt Stittgen.

Vorteile für 3D-Druck durch Lieferengpässe

Die Maschine ist mit drei Linearmotoren ausgestattet, die über kohlefaserverstärkte Streben mit der Bewegungseinheit verbunden sind. In der aktuellen Ausführung können Bauteile mit bis zu 70 Zentimeter Durchmesser und 80 Zentimeter Höhe beschichtet und additiv gefertigt werden mit bis zu fünffacher Erdbeschleunigung und Geschwindigkeiten von bis zu 200 Metern pro Minute. Beim herkömmlichen Laserauftragschweißen seien gerade einmal 0,5 bis zwei Meter pro Minute üblich.

Ein weiterer Vorteil aus Sicht der Konstrukteure: Mit 3D-EHLA können ganz neue Materialien entwickelt und anschließend verwendet werden. Möglich sei etwa die Beschichtung mit metallischen Gläsern, sagt Stittgen. „Das ist zum Beispiel für die Wasserstoffwirtschaft, die Medizintechnik, aber auch die Raumfahrt hochinteressant.“

3D-EHLA sei dort gefragt, wo höchste Anforderungen an Material und Bauteil gestellt werden: Etwa im Bereich der Gas- und Windturbinen, des Werkzeugbaus und der Hochleistungselektronik. Unternehmer Schorn: „Hier sehen wir riesiges Potenzial, das wir für unsere Kunden mit der Maschine und dem Know-how der Ponticon erschließen können.“

Mit der Maschine lassen sich nicht nur Gegenstände beschichten, sie lassen sich auch vollständig neu aufbauen. Ponticon bedient also auch den konventionellen Markt für 3D-Druck „Wir sind einfach viel schneller, sehr oft sogar um den Faktor 10“, sagt Geschäftsführer Stittgen.

Mit den klassischen Verfahren brauche man entweder sehr lange für den Druck, oder man müsse bei der Präzision Abstriche machen. „Wir können beides.“ Damit komme man in Dimensionen, in denen 3D-Druck auch in der Serienfertigung oft produktiv eingesetzt werden könne.

Das Timing ist für Ponticon günstig. Während der Coronapandemie konnte der 3D-Druck seine Stärken ausspielen. Als die Lieferketten unterbrochen waren, waren viele Unternehmen froh, dass sie sich ein dringend benötigtes Ersatzteil ausdrucken konnten. „Der Beitrag, den die additive Fertigung während der Pandemie leistet, wird auch über diese Zeiten hinauswirken“, ist EOS-Chefin Marie Langer überzeugt.

In der Industrie ist zudem die Investitionsbereitschaft nach einem Corona-Durchhänger wieder kräftig gestiegen. Im September legten die Auftragseingänge laut Branchenverband VDMA im Vergleich zum Vorjahr gar um 65 Prozent zu. In den ersten neun Monaten betrug das Plus immerhin 36 Prozent.

Doch kann die Nachfrage aufgrund der Material- und Komponentenknappheit kaum bedient werden. Die Belebung der Nachfrage sei weiter intakt und nur zu einem kleinen Teil auf Hamsterkäufe zurückzuführen, sagte VDMA-Experte Olaf Wortmann. „Aber es wird länger dauern als üblich, bis daraus auch Umsätze werden.“

Doch bei Ponticon sollen schon im nächsten Jahr die ersten Millionenumsätze erzielt werden. „In sieben bis acht Jahren wollen wir dann im mittleren dreistelligen Millionenbereich liegen“, ist Schorn zuversichtlich.

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