03.06.2022 | Handelsblatt | Investoren-Interesse an 3D-Druck-Branche weiter groß – „doch es gibt viel Unsicherheit“ | Axel Höpner

Experten empfehlen nur noch ausgewählte Investitionen in die additive Fertigung. Davon könnte Branchenpionier Herzog mit seinem neuen Fonds profitieren.

Durchbruch des 3D-Drucks auch in Teilen der Massenfertigung wird von Experten schon seit einigen Jahren prophezeit. Die Branche wächst, das Interesse bei Investoren ist hoch.

Das Problem: Mit den Wachstumserwartungen sind auch die Bewertungen gestiegen. Sollte die Branche nicht, wie von vielen prognostiziert, prozentual zweistellig wachsen, dürften die überhitzten Preise wieder sinken. Umso wichtiger sei ein „vollumfängliches Verständnis des individuellen Geschäftsmodells sowie der Wettbewerbspositionierung für die unternehmensspezifische Bewertung“, heißt es in einer neuen Studie von Roland Berger.

Und das Interesse ist groß, in den vergangenen Jahren hatte es einen regelrechten Hype um das Thema gegeben. Im vergangenen Jahr gab es laut der Studie rekordverdächtige 47 M&A-Deals mit einem Volumen von mehr als zwei Milliarden Euro, doppelt so viele wie im Jahr zuvor.

Drucker und Materialien werden günstiger

Bei Finanzierungsrunden sammelten Unternehmen aus der Branche mehr als 1,5 Milliarden Euro ein, seit 2018 ist dieser Wert jährlich um mehr als 40 Prozent gestiegen. Zu den prominenten Börsengängen im vergangenen Jahr gehören zum Beispiel der 3D-Drucker-Hersteller Velo3D und Desktop Metal. Nach den IPOs ging es mit dem Kurs teilweise nach unten.

„Die Investoren sehen das große Potenzial der additiven Fertigung“, sagt Branchenpionier Frank Herzog dem Handelsblatt. Die Branche habe große Wachstumsperspektiven. Doch habe sich der ganz große Hype ein wenig gelegt. „Man sieht das Potenzial, aber es gibt eine große Unsicherheit, was der richtige Bereich ist.“

Der Unternehmer hatte gemeinsam mit seiner Frau Kerstin bereits im Jahr 2000 den Marktführer Concept Laser gegründet. Seine Firma verkaufte er vor fünf Jahren für einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag an General Electric.

Nun hat er einen Venture-Capital-Fonds für Investments rund um die additive Fertigung aufgelegt. Der Fonds mit einem Volumen von am Ende 60 Millionen Euro war deutlich überzeichnet. Frank Herzog und seine Frau Kerstin steuerten 25 Millionen Euro bei.

Gerade weil Investoren inzwischen genauer hinschauten, sei sein Fonds auf großes Interesse gestoßen, sagte Herzog. Geld sei am Markt genug vorhanden, umso wichtiger sei es, einen Mehrwert bieten zu können.

Herzog betont, er sei bei den ersten Investments „diese spinnerten Bewertungen nicht mitgegangen“. Es sei gut, dass die Investoren mittlerweile differenzierter vorgingen. Das tue auch den Firmen gut. „Manchmal ist es besser, den Euro zweimal umzudrehen, weil man ihn dann sinnvoll und gezielt ausgibt.“

Zu den Investoren in Herzogs neuen Fonds gehören große Family-Offices und erfahrene Unternehmer. Dazu zählt zum Beispiel Rolf Schwind, der Augenlasersysteme entwickelt. „Additive Technologien erlauben uns, unsere Hightech-Produkte neu und besser zu denken“, sagte er. Er wolle weiter in das Zukunftsthema investieren.

Die Perspektiven der Branche sind insgesamt gut. Laut einer Studie von Learnbonds könnte der 3D-Druck-Markt bis 2024 von gut 16 auf 40,8 Milliarden Dollar wachsen. Deutsche Unternehmen wie Eos, Concept Laser und Trumpf spielen in der Branche eine führende Rolle.

Gelingt der Durchbruch in der Massenfertigung?

Zugleich könnte bald der langersehnte Durchbruch des 3D-Drucks in Teilen der Massenfertigung gelingen. Bei der Entwicklung von Prototypen sowie in speziellen Branchen wie der Luftfahrt hat er sich schon durchgesetzt. Die Tatsache, dass die additive Fertigung manchen Unternehmen in der Pandemie half, die Produktion aufrechtzuerhalten und Drucker sowie Materialien günstiger geworden sind, könnte der Technologie zu einem breiteren Einsatz verhelfen.

Ein Hemmnis war bislang zudem die Tatsache, dass der Druck größerer Gegenstände sehr lange dauert. Auch hier ist Besserung in Sicht. So hat zum Beispiel das Start-up Ponticon eine neue Fertigungstechnologie auf Basis des „Extremen Hochgeschwindigkeits-Laserauftragsschweißens“ (EHLA) entwickelt. „Wir sind viel schneller, sehr oft sogar um den Faktor 10“, sagt Geschäftsführer Tobias Stittgen. Zudem sind inzwischen festere und leichtere Bauteile möglich.

Die 3D-Druck-Branche sei erwachsen geworden, sagt Herzog. „Im Metalldruck geht es bereits in Richtung ‧Industrialisierung.“ Er erwarte zudem einen größeren Push im Privatkundenbereich. Dieser sei anfangs von den Experten eher belächelt worden. Doch inzwischen habe sich etwa bei der ‧Anwendungssoftware und der Materialentwicklung viel getan.

Der neue Fonds von Herzog will in Start-ups in allen Bereichen des 3D-Drucks investieren, von Maschinen über Dienstleistungen bis zu Robotik, Automation und Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz. Zu den ersten Beteiligungen gehört die Rostocker Firma Aim3D, die einen Multimaterialdrucker entwickelt hat, der deutlich kostengünstiger als bisherige Maschinen arbeiten soll.

Herzog sieht für den 3D-Druck in Deutschland noch großes Potenzial. „Wir haben in der Industrie noch viel Unwissen, und es gibt viele Bedenkenträger.“ Gerade Mittelständler scheuten den Kauf von 3D-Druckern, weil ihnen die Einsatzmöglichkeiten noch gar nicht klar seien. „Wir brauchen mehr Anwendungsforschung.“

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